Liebe Gemeinde,

wenn ich sonntags in den Gottesdienst gehe, wirkt das Gehörte manchmal noch nach. Neulich war es auch so. Da gingen mir nach dem Gottesdienst die zwei Schrifttexte noch weiter durch den Kopf. In dem einen Text, dem Evangeliumstext, beschweren sich die Jünger Jesu über einen fremden Wundertäter, der Jesus gar nicht so nachfolgt wie die Jünger selbst es tun. Doch Jesus denkt gar nicht daran, sich ängstlich von diesem Wundertäter abzugrenzen. Vielmehr mahnt er die Jünger: „Hindert ihn nicht.“ In dem anderen Text aus dem Ersten Testament war von zwei Männern die Rede, auf die der Geist Gottes herabkam. Das Überraschende: Gottes Geist erfüllt ausgerechnet Menschen, die nicht im Zeltheiligtum und die damit gewissermaßen außerhalb der verfassten Gemeinschaft waren.
Manchmal geht es mir auch ähnlich wie den Jüngern Jesu: In meinem Umfeld sehe ich „Wundertäter“, die enorm viel Gutes tun, ohne dass sie sich in Jesu Nachfolge sehen. Bei vielen habe ich großen Respekt, bisweilen Bewunderung für ihren Einsatz. Z. B. bei einer Bekannten, die sich viele Stunden in der Woche lang ehrenamtlich in der Kommunalpolitik fürs Gemeinwohl und unsere Demokratie aufreibt; oder bei einer Verwandten, die eine ihrer wenigen Urlaubswochen einsetzt, um ihrer altersschwachen Mutter eine Woche Abwechslung an einem Urlaubsort zu verschaffen. Überall, wo so viel Gutes geschieht, sehe ich Gottes Geist am Werk – auch jenseits verfasster religiöser Gemeinschaften. Was folgt aus all dem? Wir Christinnen und Christen und wohl die Gläubigen aller Religionen sind in Gefahr, von Gott und seinem Geist zu klein und zu begrenzt denken, obwohl er doch größer ist als unser Herz und Verstand.

Guido Vagedes, Mitglied des Pfarreirats