Blick zum Leben

Liebe Gemeinde!

In diesem Jahr ist es mir schwergefallen, angesichts des mannigfachen Leids und der unfassbaren Gewalt in vielen Teilen der Welt auch noch auf die Passion Jesu zu schauen, mir Leid und Kreuz Christi zu vergegenwärtigen. In der Osterwoche traf ich in Rom auf eine Darstellung des Auferstandenen, die meine Blickrichtung verändert hat. Der heroische Christus Michelangelos in der Kirche Santa Maria sopra Minerva hält das Kreuz und die Passionswerkzeuge nahezu lässig in Händen und wendet seinen Blick davon ab in die Ferne, quasi schon in einem ersten Schritt begriffen, Leid und Tod hinter sich zu lassen. Es scheint noch nicht entschieden, ob er die Symbole seines Leid einfach loslässt oder mit sich nimmt. Keine sichtbaren Spuren der Kreuzesmarter stören das Gleichmaß seines athletischen Körpers.
Der Künstler hat bei dieser Arbeit Maß genommen an antiken Skulpturen, die er in Rom vorfand. Wird durch diese Art der Darstellung das Leid nicht zu sehr idealisiert und in einer für unseren Geschmack nicht mehr zeitgemäßen „Formschönheit“ aufgehoben? Diese Frage kann man durchaus an das Kunstwerk richten. Auf der anderen Seite bringt die kraftvolle Figur einen Aspekt der Ostererfahrung zum Klingen, der nicht unterschlagen werden sollte: Wie und wodurch kann ich trotz und in der Erfahrung von Leid und Tod den Blick wieder auf das Leben und einen möglichen Neuanfang richten? Was kann mich dabei stärken? Wie begleiten mich erlittenes Leid und die Erinnerung daran auf meinem weiteren Lebensweg? In diesem Sinne wünsche ich euch und Ihnen eine stärkende und frohmachende Osterzeit.

Frank Meier-Hamidi, Pastoralreferent